Dienstag, 25. August 2009

Dienstag, 20. Juni 2000 @ 18:34:01

Von: ursula-maus@tkun.de
An: charts@charlydavidson.com
Betreff: widersprüchliche Zustimmung

Lieber Karli,

die internet-te Technik holt im Moment den Tempo- Verlust vom Wochenende auf; im selben Augenblick, als ich meine Nachtrags- E-mail an Dich sandte, " flatterte" mir Deine letzte E- mail zu.

Der Begriff " elektronisches Fernschachspiel" gefällt mir, obwohl es sich vielleicht eher um ein Fernsprachspiel handelt. Vorerst ist es nicht nötig, das Tempo abzubremsen, ich finde unseren sprachlich- philosophischen E- mail- Wechsel sehr unterhaltsam.

Natürlich hat der Sprach- Roulette- Besserwisser nicht unrecht, aber solche im eigentlichen Wortsinne wenig bis gar nichts sagenden Sprachschöpfungen eignen sich doch außerordentlich für Sprachspiele und Satire "... und das ist auch gut so".

Mit Deinem Widerspruch zum Seelenverkauf hast Du einen Punkt erzielt - " Dienstleistung für Voyeure" ist kaum zu übertreffen. Und ich gebe Dir, nicht ganz gern, aber überzeugt recht.

Offen sichtlich war ich gestern Abend im Gegenteil von Hochform, so daß ich Dir leider schon wieder zustimmen muß, aber gleichzeitig hiermit meinen Satz korrigiere und in die ursprünglich beabsichtigte Form bringe: Solange man sich dessen bewußt ist, daß man Rollen spielt, spielt es keine Rolle, daß man Rollen spielt." Das psychologische Drama beginnt erst, wenn man meint, die Rolle, hinter der amn sich versteckt, sei das wahre Ich.

Dein Text " Der Zufall" ist tatsächlich ein Treffer, es bleibt die Frage: Trafst Du sie nur oder hast Du sie auch getroffen?

Der ganz energische Widerspruch, den Du mit Deiner Einschätzung von ChD verkündest, verliert seine Wirkung bei mir insofern, als das wir uns doch gar nicht im Widerspruch zueinander befinden, ( wenigstens in diesem Punkte nicht)!

Deine Sicht auf ChD teile ich vollständig, trotzdem meine ich, daß er durch seinen autarken Verstand und seine Erfahrungen nicht wirklich in die Gefahr geraten wird, seine Identität zu verlieren. ( Vielleicht sieht frau das mit brillengeschärftem Blick deutlicher!)

Der ARIEL, von dem ich schrieb, hatte weniger die schwierige Aufgabe, einen von Mephistopheles und eigenen Zweifeln Geplagten dem Licht zurückzugeben, sondern er schwirrte mit luftiger Leichtigkeit durch eine Shakespeare-Komödie. Wenn Du aber an Faust II denkst, hast Du, was den Seelenverkauf betrifft, mal wieder recht. ( Ich finde es verwirrend, Dir heute so oft zustimmen zu müssen, aber denke nicht, daß mein Widerspruchs- Geist erlahmt!) - PUCK dagegen ist meine shakespearesche Lieblingsfigur... lass Dir das mal gesagt sein.

Deinem ChD- Glaubensbekenntnis kann ich nur den Wunsch hinzufügen, daß dieser nie die Sprache verlieren möge, der er in die Wiege gelegt wurde. Aber auch Entsetzensbegabte sollten sich von Zeit zu Zeit der Leichtigkeit eines Hilfsgeistes bedienen, sonst ist die Gefahr des Zusammenbruchs unter der Sternenlast unvermeidlich.

In der Hoffnung darauf, Dir nicht mehr so oft recht geben zu müssen wie heute

Uschi

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