Mittwoch, 26. August 2009

Sonntag, 30. Juli 2000 @ 13:36:58

Von: charts@charlydavidson.com
An: ***-****@********.de
Betreff: Nachtrag zum Vortrag

“Ich hatte noch nie etwas mit einer Frau. Mit fünfzehn stieß ich auf Platon. Er sagt, daß die Frau mit vierundzwanzig reif für den Geschlechtsakt ist, der Mann mit fünfundddreißig. Bald werde ich sechsunddreißig und immer noch unberührt sein. Wenn ich das schaffe, bin ich besser als Platon!” (Mauri Antero Numminen)

Keine Angst Frau Gundula (warum nicht gleich "Gerundula", das wäre wohl was),

dieser Mensch (= MA Numminen) der solchen Schweinskram verzapft ist Professor für Sprachwissenschaft an der Uni Helsinki, schreibt nebenher immer so‘n Schweinskram, dreht zudem seit den sechziger Jahren erfolgreich Filme und macht als Ausgleich Tango-Musik.

Jetzt ein echter Musiktipp:
“Willi” von Conny Wecker ist für ich- allein schon auf die Zeit bezogen in der es Wecker erstmals dargeboten hat - ein Meilenstein. Mein Favorit ist aber immer wieder neu “Wenn der Sommer nicht mehr weit ist”; ein Lied in dem sich die Persönlichkeit des Kokain Wecker - wie ihn Michael Mittermeier seinerzeit getauft hat (im April wurde Conny in dritter Instanz zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt) - frei entfalten konnte. Ich habe eine Liveversion der späten Jahre, da zischt das “... Genuß bekommt man nämlich nie genug ...” so beissend über die Bühne, dass man – im Nachhinein - Wetten abschließen möchte, wie viele Gramm er seiner Nase an diesem Tag wohl zugeführt hatte. Und beim Nachfolgesatz: "... Genießen ist kein leichtes Spiel ..." konnte sich Kokain Wecker so richtig bestätigt fühlen: "Ham die Leid scho was g'merkt?" - Mir wurde ja auch mal so was unterstellt, aber wie das mit Unterstellungen so üblich ist: G'fundn haben's nix! - Lesenswert: Weckers Vortrag zum Thema, den er vor drei Jahren vor Nervenärzten in Jenas Partnerstadt Erlangen hielt ist letztes Jahr unter dem Titel "Es gibt kein Leben ohne Tod" als Buch erschienen.

Nunt ein zweiter Musiktipp:
Rio Reiser mochte ich schon seit der Scherben-LP “Keine Macht für niemand” (1973 nur original mit ‚Katschi‘-Schleuder erhältlich - weiß aber kaum noch jemand). “Allein machen sie dich ein” und natürlich der Wortwitz des “Rauch-Haus-Songs” ... einmalig; nicht nur weil ich ja mal Politrocksänger war. 1978 bis 1980 war das und da gehörte es zur Pflicht TSS zu mögen, ebenso Franz K, Floh de Cologne und die Lokomotive aus Kreuzberg (!). Der Kenner weis: Damals machte in Berlin beim Grips-Theater und der Lok auch ein gewisser Heinz Hoenig (genau der!) mit als Kalle Kowalewski” oder so ähnlich, an den Drums saß Herwig Mitteregger und mit ihm die halbe Nina Hagen Band resp. später: Spliff.

Zum Bücherverbrennen:
DISCO-Presentatör Ilja Richter hat in seiner Biografie (trivial aber lesenswert) erzählt, dass er einmal für die BRAVO begleitend zu seinem damaligen Kinofilm “Hurra, die Schule brennt” Schulbücher, die auf einen Haufen geschichtet worden waren, angezündet hat. Als Gag war es gedacht und später habe er, der Jude Ilja - manchmal deswegen nicht schlafen können. So gibt es für jeden Menschen Dinge, die Schlaflosigkeit ihn bis in’s Alter als Strafe verfolgt.

Richtig: Nicht nur den Abschied muß man er-lernen. Es ist lange her, aber ich erinnere mich an einem Riesenstreit mit meiner Frau in dessen Folge ich die Hälfte meiner - unersetzlichen - Plattensammlung, viele liebgewonnene Bücher und dazu noch Studiobänder mit einwandfrei und mühevoll und teuer produzierten Musikstücken in einigen Müllsäcken und -tonnen entsorgt habe. --- Das war blinde Wut die sich gegen Sachen entlud. (Gegen Menschen habe ich mich zum Glück noch niemals wutvoll entladen.)

Das hat geschmerzt, sage ich Dir, das hat sogar mehr als geschmerzt. Was weg ist, ist nämlich weg, da helfen keine Pillen. Aber hier galt für mich: Was einen nicht kaputt macht, macht einen doppelt stark. Ich lernte, daß es Dinge gibt, von denen man sich niemals trennen würde und die trotzdem plötzlich weg sein können. Und ich begriff, daß das Leben danach trotzdem weitergeht. - Daei darf ich noch nicht einal an die Juden und die Nazis oder die Russen und Stalin denken.

Ob ich mit der Musik oder der Literatur etwas gefunden habe, was meinem inneren Wesen zu 100 % entspricht, das weiß ich nicht. Ich glaube jedoch, Literatur zu schreiben entspricht meinen Wesen ebenso, wie die Musik ihm entspricht. Aber ich denke schon (und das ohne einer asiatischen Lehre zugewandt sein zu müssen), dass es im Leben reicht, einfach nur ICH zu sein. – Danke für Deine Gedanken!

Manchmal komme ich mir bei unserer Konversation vor, wie in einem französischen Debattier- und Jazzclub der vierziger Jahre. Die Musik untermalt die Unterhaltung - die Unterhaltung untermalt die Musik ... und ...

m(acht) f(reundschaftliche) G(efühle)

Dein Charly Davidson


Nachtrag 1:
Da hat sich doch in meinen Gehirnwindungen wieder so ein Fehler eingeschlichen (ich denke an Nietzsches Beispiel mit dem Kampf zwischen Erinnerung und Vorstellung). 1976 bei dem Workshop war ich nicht 17 Jahre sondern 18 Jahre alt ... sagt mir der Zeitungsausschnitt und nicht meine Erinnerung. Mit 17 nahm Mike O. seine “Tubular Bells” auf; bei mir hat es noch zweieinhalb Jahre gedauert, da nahm ich erst “My Oldfield” auf (ja, damals war mann noch ehrlich, was seine musikalischen plagiativ-plakativen Wurzeln anbelangte), spielte alle meine Instrumente selbst und fühlte mich die ein König. Dochwar ich vor allem einer, der nicht so gut war wie Mike O., was gut war, weil ich nur so immer besser werden konnte.

Nachtrag 2:
Ich spielte damals auch gelegentlich mit einem Liedermacher zusammen namens Lerryn, der ein arrogantes Arschloch war (... vielleicht bin ich ja heute selber eines!!!). Später kam er groß heraus, der Herr Lerryn alias Dr. Dieter Dehm alias IM Wolf alias Manager von Kati Witt alias heutiger Vizechef der PDS. ENDLICH ‘MAL EIN WESSI, DER’S IM OSTEN ZU WAS GEBRACHT HAT!

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