Mittwoch, 26. August 2009

Sonntag, 23 Juli 2000 @ 11:00:39

Von: charts@charlydavidson.com
An: ursula-maus@tkun.de
Betreff: Es war meine Story

“2 und 2 = 22” (Strelitz)


Hallo kleine Maus,

das wirkliche Leben steckt voller Überraschungen. So geht es uns bisher bei unseren täglichen Berichten, so war Freitag Nacht ... und so ging es mir mit Mike Oldfield, wovon ich Dir ganz zu erzählen vergaß. Also, Ende 1980 arbeitete ich am ersten literarischen Kabarettprogramm “ICH GEBE ZU ... Bedenken” und hatte Probleme mit der Komposition eines Endlosstückes (Vorbild war der Mittelteil von Oldfields “Incantations”). Hier beginnt meine Oldfield-Geschichte:

Oldfield selbst hatte ich im Frühjahr 1979 in der Frankfurter Jahrhunderthalle live erlebt mit dem besten Bühnensound, den ich (bis dato und auch danach auf lange Zeit) jemals gehört hatte. Im Sommer 1979 arbeitete ich dann als einer der ersten Musiker in Deutschland mit der Rhythmusmaschine CR-68 von Roland und hatte größere Probleme mit der Funktionstüchtigkeit; kurz danach hörte ich diese Maschine auch bei Oldfields Produktionen. 1980 schrieb ich an Oldfield an, um mir Tipps für die Arbeit mit der neuen CR-78 zu holen ... und VIRGIN Records schrieben mir zurück, dass Herr Oldfield sehr zurückgezogen lebe und solche Fragen nicht zu beantworten pflege.

Anfang 1981 tourte Oldfield dann durch Europa und war im März in Offenbach am Main, der Stadt, in der ich lange gelebt hatte. Ich besorgte mir einen Reportageauftrag für die Zeitschrift “Musiker Music News” und die lokale Tageszeitung (war damit für die Tourleitung trotz meiner erst 23 Lenze ein ‚wichtiger‘ Mann), schnappte mir meinen Tontechniker Bobb Sanders und los gings ... und das war’s auch fast schon. Der Tourmanager sagte uns: “Das wird heute nichts mit dem Interview. Mike wurde in Holland eine Gitarre gestohlen, seine Lieblingsgitarre; er ist absolut schlecht drauf.” Dafür duften wir fotografieren.

Ich habe zwar neun von zehn Fotos vergeigt, aber das zehnte zeigt Mike tatsächlich mit einer Gibson-Gitarre anstelle seiner sonst üblichen Fender Strat. (Sehr selten! - Das Foto wurde später mehrmals von Musikzeitschriften bei mir nachgefragt.). Bobb war enttäuscht! Er schnappte sich das Aufnahmegerät und hörte Musikcassetten.

Nach dem Konzert fuhren wir auf Verdacht zum Tour-Hotel und hofften, vielleicht die Chance auf eine kurzes Statement zu bekommen. Vergeblich! Bobb hörte weiter Cassetten. Da sahen wir an der Hotelbar Mikes Percussionspieler Morris Pert sitzen. Ich fragte ihn, ob er ein Interview geben würde, denn ich hatte kurz zuvor auf der Frankfurter Musikmesse Adrian Wagner interviewt, der mit Pert gerade eine Platte gemacht hatte. Pert war einverstanden.

Als ich fertig war sagte Pert, “Du bist doch nicht wirklich nur wegen mir hierher gekommen?” Nein, sagte ich, ich möchte gerne AUCH Mike Oldfield interviewen u.s.w.. “Gut”, sagte Pert zu mir, “ich frage Mike einmal, ob er runterkommen will.” Drei Minuten später war Mike Oldfield da und hatte überhaupt keine Lust zu reden. Als er aber erfuhr, dass Bobb aus Cornwall stammte und ich in Wales zur Welt gekommen war, wurde er schon gesprächiger. Nach dem dritten Guinness-Bier war das Eis angeknackst und nach dem ierten gebrochen. Ich sagte zu Mike: “Ich bin an den üblichen Geschichten über Dich überhaupt nicht interessiert. Warum heisst deine Frau Sally, Deine Schwester Sally und dein Kindermächen Sally? Oder: Wie kamst Du auf die Idee mit Tubular Bells? - Das ist doch alles schon tausend Mal erzählt. Sag mir einfach: Hast Du mit der CR-68 und der CR-78 die gleichen Probleme wie ich? / Kannst Du mir beim Arrangieren meines Titels XYZ helfen? Was machst Du anders als ich, wenn Dumit halnber GEschwindigkeit aufnimmst? --- Das hatte Miko Oldfield nun überhaupt nicht erwartet. Er lächelte mich an und bestellte noch vier Guinness an der Hotelbar; das war um kurz vor Zwölf.

Bis im kurz vor drei Uhr tauschten wir CR-78 Tipps aus, Mike erklärte mir, daß vieles in seiner Musik auf kompositorischen Endlos-SCHLEIFEN basiert und er es aus der griechischen Musik entnommen hat. Nach dem x-ten Glas Guinness - ich war schon fast benebelt, er nicht - berichtete er davon, daß er diesen PR-Quatsch seiner Plattenfirma abgrundtief hasst. Er würde nur deswegen so “zurückgezogen” leben, weil die Plattenfirma das als sein Image aufgebaut habe und niemand sich traue, ihn zu besuchen. Ich würde mich schon trauen, sagte ich ihm. OK, sagte Mike zu mir, wenn Du mal wieder in Wales bist, dann komm‘ einfach mal vorbei. Ich bedankte mich und sagte ihm: Weißt du eigentlich, daß du in Deutschland einen Hit hast mit ‚Wonderful Land‘? Er sagte: Ein Hit?, fragte den Tourmanager ob das stimme und der sagte: Ja, es gäbe derzeit viel “Airplay” für den Titel. Oldfield wurde ärgerlich. Warum sagt mir ‚Charrley‘ das und nicht meine Plattenfirma? und fügte an, Wir müssen das sofort als Single auskoppeln. Nach zwei oder drei weiteren Guinness sagte er zu mir, er würde mir jetzt etwas sagen, dass habe er noch niemandem zuvor gesagt:

Mike verriet, dass erl seine Plattenfirma VIRGIN verklagen will. Es gäbe ständig Ärger, wie jetzt mit “Wonderful Land” und er habe immer noch den Vertrag von 1973, als er die “Bells” aufgenommen hatte und Richard Branson verdiene sich mit ihm dumm und dämlich. Und er erzählte mir noch mehr. Ob ich das schreiben könne, fragte ich ihn und er sagte: “Shure ... natürlich! Es ist deine Story.”

Meine Liebe: Da ein gewisser Herr Bobb durch andauerndes Cassettenhören die Batterien reichlich heruntergefahren hatte, waren am nächsten Tag nur noch zehn Minuten Interview auf dem Band zu hören. Und da ich mir nicht mehr sicher war, was Mike mir während einer Trunkenheit alles erzählt hatte und ich mir dadurch auch unsicher war, ob er das wirklich so gemeint hatte (die vielen Guinness - Du verstehst!) schrieb ich in den Artikeln so gut wie nichts darüber.

Drei Wochen später erschien der “MELODY MAKER” mit der Titelstory: ‚Oldfield gegen Virgin - Plattenstar verklagt seine Firma‘. Mein damaliger Redaktionsleiter meinte dazu nur: “Hätte der das nicht auch Dir erzählen können?” - Kein weiterer Kommentar!!!

Späte hat mir das sogar bei Mike geholfen, denn, als ich Oldfield später besuchte, sagte er: “Hast du das damals geschrieben?” Ich sagte: “Nein! - Das war Deine Angelegenheit und Du solltest aktiv werden.” - Man glaubt es kaum, aber Mike bedankte sich bei mir.

Auch heute noch habe ich Kontakt zu ihm und wenn mich nicht alles täuscht, brauchst Du nicht nach Edinburgh zu fahren, warte einfach mal in Berlin auf ihn. Aber auch heute noch sehe ich ihn vor mir , wie er damals war, bei diesem gespräch. Sehe ihn, wie er seine Zigaretten selbst rollt – so dünn wie Streichhölzer -, spüre seinen Stolz auf die Studioausrüstung, die er sich mit seiner eigenen Hände Arbeit, verdient hatte. Ein wrklicher Freund von ihm war ich nie; ich war höchstens ein Bekannter für ihn. Aber ich habe seine Widmung ‚Charley, ich wünsche Dir Erfolg!‘, wollte sie aufs Cover der “KONTAKTAUFNAHME” setzten. Aber die Leute von meiner Plattenfirma sagten damals immer: “Das hast Du gefälscht. Oldfield macht so etwas nicht; der lebt doch völlig zurückgezogen.” ‚Gefälscht‘ habe ich später allerdings doch noch etwas: Aus ‚Charley‘ habe ich ‚Charly‘ gemacht, denn ch fand, man sollte nicht alle Marotten der Stars mitmachen!

Nächste Station:

Der Tatsache geschuldet, dass meine Frau und ich ebenso Nur-Töchter haben wie andere Leute Nur-Söhne (Dich wundert bald gar nichts mehr ... Unsere sind 13 und 18 Jahre alt) hoffen wir natürlich, bei unseren Töchtern nicht allzuviel falsch gemacht zu haben. Falls doch, möchte ich Dich aber nicht damit belästigen. Auf den Verleih von Büchern freue ich mich; wir sollten vielleicht nach dem Urlaub damit beginnen, denn sonst versandet möglicherweise unser gegenseitiges Hilfsprogramm. (Ansonsten hoffe ich, dass Du niemals den Titel “Ich küsse Ihren Mann” von Anete Humpe aus deren Album “Solo” hören wirst).


M(ike) f(aziniert) G(itarren) ... und sie ihn auch.

Dadurch fasziniert er Dich ... und ich Dich auch.

Da braucht man nur "2 und 2" zusammenzuzählen!

ChD

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