Mittwoch, 26. August 2009

Mittwoch, 12. Juli 2000 @ 18:29:25

Von: ursula-maus@tkun.de
An: charts@charlydavidson.com
Betreff: Depesche an ChD

Hallo mein Lieber,

da Du Frau Steineckert schon in (be)treffender Weise erwähntest, hier eines ihrer Gedichte, für mich das Schönste und Wichtigste. (Mit Hilfe dieses Textes konnte ich vor 11 Jahren Abschied von meinem ersten Mann nehmen.)

„Als ich fortging, war die Straße steil / kehr wieder um / red ihr aus um jeden Preis / was sie weiß / Als ich fortging, war der Asphalt heiß / kehr wieder um / nimm an ihrem Kummer teil / mach sie heil / Als ich fortging, warn die Arme leer / kehr wieder um / machs ihr leichter, einmal mehr / nicht so schwer / Als ich fortging, kam ein Wind so wach / warf mich nicht um / unter ihrem Tränendach / war ich schwach / Nichts ist von Dauer / was keiner recht will / auch die Trauer wird dann sein / schwach und still.“

Natürlich hat meine Textwahl einen tieferen Grund als nur meine Vorliebe für dieses Gedicht. Er ist ein Musterbeispiel für poetische Vielschichtigkeit. Auf den 1. Leseblick paßt er mit der Schilderung einer zu Ende gegangenen Liebe gut zu Deiner Kästner- Auswahl. Doch der Text hat einen wahrhaft doppelten Boden. Er erzählt auch von einer anderen beendeten Liebe - dazu muß man wissen, daß er im Sommer 1989 entstand. Er wurde übrigens von der damaligen DDR- Band „Karussel“ sehr poetisch vertont und von klugen Menschen quasi ‘hoch und
runter’ ( Endlos- Schleife?) im Jugendradio gesendet.

In meinen ersten Leseminuten im GEB auf Achilles und sein Schildkröte zu treffen, berührt mich außerordentlich merkwürdig. Liegt das vielleicht daran, daß ich nicht nur ChDs Musik liebe ( rein platonisch bemerkt) , sondern auch Bach. Augenblicklich hat sich in meinem Gehirn eine seltsame Schleife zu einem Knäuel verwirrt und ich überlege, an welchem Band ich ziehen könnte, um die Verwirrung zu lösen. Das Knäuel besteht aus lauter „...nicht der Rede werten...“ und „...sich selbst verschluckenden“ Mengen und erinnert mich an die Tatsache, daß ich zu dieser intellektuellen Höchstleistungs-Mathematik schon als Studentin ein eher gespaltenes Verhältnis hatte. Doch geht vom Lesen -Denken- dieses Buches eine eigenartige Faszination aus, die mich zwingt, „todesmutig“ (Absturzgefahr?!) weiter in die Welt der seltsamen Schleifen einzutauchen. (Sollten die Mengen über mir zusammenbrechen, oder ich unter ihnen, könntest Du mich ja vielleicht an einem Moebius-Band wieder in das Erdgeschoß ziehen - dann wäre ich in einer Schleife an den Ausgangspunkt zurück gelangt und würde von vorn versuchen, mit GEB - und Charly - ein Stück treppauf zu gehen.)

(Oh Gott, Radio bildet doch, gehört eigentlich nicht zum aktuellen Thema oder?! In mein Unterbewußtsein drang gerade ein Splitter wahren Berliner-Rundfunk-Lebens; Berliner-BürgerIn-Beteiligung am Radio-Telefon: „...einfache Leute müssen ooch ma loofen jehn!“ Genau! )

Womit ich dann wieder bei GEB ankomme und zwar bei den Eigenschaften, die lt. Hofstadter wesentliche Voraussetzungen für Intelligenz sind. Die führen mich unweigerlich in`s Leben, zum Wochenthema und zum Versuch „...die Verblödung in der Breitenausdehnung...“ zu begrenzen. Eine G-Kenntnis über ‘Mauern in den Köpfen“: Die von Nietzsche angeregte Umwertung der Werte wird durch „Wessis“ von „Ossis“ gefordert, wobei erstere nicht bedenken, daß ihnen ähnliches abverlangt wird - die Zeit hat sich für alle verändert! „Ossis“ sind kaum dazu imstande, ihre Werte umzuwerten,weil sie sich ihrer und ihres eigenen Lebens nicht mehr als Wert bewußt sind! (Verzeih die Verallgemeinerung - wir gehören zu denen, die als Ausnahmen die G- Kenntnis bestätigen!)

Du hast natürlich recht, auch die Religionen haben die Kunst wesentlich beeinflußt. Ich meinte bei der Auswahl dieser Sentenz nur die Verbindung zu Nietzsches Abkehr vom Jenseits, weniger die wortgetreue Bedeutung, die bei Nietzsche ohnehin nicht einfach zu finden ist.

Synergy als eine Deiner Schwächen betrachte ich als Stärke, wir sind uns offensichtlci nicht nur eklektisch ähnlich. - Eine meiner Neigungen ist die Psychologie. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit Synergy als der höchsten möglichen Stufe menschlicher Kommunikation. Der Mangel an synergistischer Kommunikation ist die Ursache für viele Probleme, u. a. auch für ‘Mauern in den Köpfen’.

Die Essenz von Synergy in der Kommunikation ist es, die mentalen, emotionalen und psychologischen Unterschiede zwischen Menschen zu würdigen. Davon ausgehend, daß jeder Mensch - auch Du und ich - die Welt nicht so sieht, wie sie wirklich ist, sondern so wie ER/Sie ist, könnte mensch in der Lage sein, diese Unterschiede als Ergänzung für das eigene Wissen zu betrachten. „Wenn wir ganz unseren eigenen Erfahrungen überlassen sind leiden wir beständig an Datenmangel.“

Damit bin ich in Jena und bei Goethe:
Deine Einführung in das Leben JWGs für junge Leute habe ich mit Interesse und Freude gelesen, obwohl ich vieles davon weiß - die Notwendigkeit des Abrisses der Stadtmauer war neu für mich - und obwohl ich mich durchaus meist jünger fühle als ich bin, aber rein alterstechnisch schon zu denen gehöre, die langsam begreifen, daß sie älter werden (frei nach Wrobel).

Ich kann mir gut vorstellen, warum es Dich nach Jena gezogen hat. Abgesehen von der Macht der Synergy ist Jena eine interessante Stadt in einer traumhaft schönen Landschaft mit wundervollen Kultur- Stä(d)tten rund herum, angefangen von Naumburg über Weimar bis Eisenach, oder z. B. das wunderhübsche, versteckte Dornburg. Du merkst, ich kenne die Gegend - bevor mich meine Eltern nach Berlin verschleppten, wohnten wir einige Jahre in Dessau. Mehrere Thüringen- Urlaube haben das ihrige getan.

M(it) ( er)f(reuten) ( Dankeschön)G(rüßen)
von Uschi

Heute war eine Radioserie bei mir im Briefkasten und ich werde mir damit einen schönen Abend gestalten!

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