Mittwoch, 26. August 2009

Donnerstag, 6. Juli 2000 @ 12:59:23

Von: charts@charlydavidson.com
An: ursula-maus@tkun.de
Betreff: Das Universum zelebriert E2-E4

Hallo Uschi, willkommen im ersten Stock!

Eines muss einmal gesagt werden: Egal, was der eine oder die andere über unsere Sprachspiele sagen würde/n, wenn sie sie denn lesen sollten: Mir macht es Spass mit jemandem wie Dir zu kommunizieren. Und Du weist ja auch, man soll im Leben das tun, was Spass macht und was man gut kann.

Ad hoc

Du hast erwähnt, daß Du das Werk von Botho Strauß liebst; seiner Sicht der Dinge kann ich nur zustimmen. Im Gegensatz zu ihm habe ich mich aber von der Musik auf das Radio verlegt (...bin ich deshalb schon ein Verleger?...). Übrigens sagte ARIEL mir gerade, dass es nicht nur bei Shakespeare ‘...Dinge zwischen Himmel und Erde (gäbe), die sich unsere Schulweisheit nicht träumen läßt’ sondern auch bei Goethes Faust -er muss es ja schließlich wissen- und anderswo.

Nochmal zum Aberglauben; etwas länger diesmal, aber so gut wie abschließend: Ich persönlich bin weniger abergläubig und mehr gläubig. Ich glaube an naturwissenschaftliche Gesetze und deren Konsequenzen unter Berücksichtigung eklektisch übernommerer Erkenntnisse, sofern diese unwiderlegbar richtig erscheinen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Dein Weg, über Ecos Focaultsches Pendel vom Erdgeschoss in den 1. und 2. Stock unseres Denk- und Sprachspieles vorzudringen erfolgreich sein wird. Deine Sucht-Erscheinungen beim Lesen kann ich ebenso verstehen wie die faszinierende Erkenntnis, Menschen zu begegnen, die in der Lage sind, die weltgeschichtlichen Zusammenhänge zu glauben. - Aber dann hast Du gesagt, Du hättest es nicht geschafft, daraus wieder aufzutauchen und den Plan Ecos zu begreifen.

Mir ging das bei meinem Denk-Bezugsbuch anfangs ebenso. „Goedel/Escher/Bach“ von Hofstaedter offenbart in bestimmter Weise den ‘universalen Plan’ und dies m. A. n. ähnlich wie Eco, aber eben viel wissenschaftlicher. Im einen Fall ist es das hin und her schwingende Pendel; im anderen Fall das endlose geflochtene Moebius-Band. Mir gefiel das Band immer besser als das Pendel, weil es sich in sich dreht um wieder zurückzukehren. (Das ‘Pendel’ laß ich bei meinem Onkel und auf „G/E/B“ kam ich über die Würdigung in Bestsellerlisten).

Du kennst das ja, man liest sich erst dann richtig fest, wenn man den Bezug zu einer Sache findet. Und Leidenschaft für eine Sache, (hier könnte man sagen: Ideen-Patriotismus während frau sagt: Begreifen) entsteht durch den persönlichen Bezug. Mein Bezug zu „G/E/B“ war mein Glaube an naturwissenschaftliche Gesetze und deren Konsequenzen. Und mit Verwirrung stellte ich fest, dass es 1.) höchstwahrscheinlich stimmte, was Hofstadter zusammengetragen hatte und dass 2.) vieles in meinem Handeln und Arbeiten und Denken (automatisch? / selbstverständlich?) vom Grundsatz des Moebiusbandes bestimmt war.

Das G/E/B-Prinzip fand sich für mich schnell überall: Das Herz pumpt das Blut endlos durch den Körper; unser Lebensrhythmus ist von ständigen Wiederholungen geprägt (...Schlafen / Aufwachen / Arbeiten / Essen / Ermüden / Schlafen...); im Schach spielt man E2-E4; das Universum zelebriert tagtäglich die Entstehung und den Tod von Sternen aus denen wieder neue Sterne entstehen, die später sterben etc.; Geschichte wiederholt sich ständig; selbst das menschliche Leben läuft auf dieser Moebius-Bahn ab und die immer währende Verdrehung des DNS-Bandes bringt ähnliches aber unterschiedliches Leben mit sich.

Und ich? Ich schrieb ohne es zu ahnen G/E/B-Gedichte ('Zufall’ kennst Du ja schon), konstruierte G/E/B-Melodieleitern und war schon längst bei Radio Jena bevor ich über haupt richtig Radio machte: „radiojenanejoidaradiojenanejoida“. Ich fand nämlich heraus, dass das Wort „radio“, vorwärts und anschließend rückwärts abgespielt ein Band ergibt, eine Wort-Schleife mit einem überraschendem Ergebnis: „radiojena“. (Kaum zu glauben, aber den Beweis habe ich schon oft nachgeliefert!)

Wäre ich hier abergläubig gewesen, hätten mich solche Dinge mglw. erschreckt. Da ich aber GLÄUBIG war in das G/E/B-Prinzip, den ‘großen Plan’ wie Du es schilderst, kam mir alles nur logisch und konsequent vor. --- Mich wundert heutzutage nichts mehr!

Wenn Du scharf nachschaust, findest Du das Moebiusband in vielen Dingen, die ich schreibe, Dienstag, lebe. Aber nicht aufgesetzt reaktiv sondern entspannt aktiv nach dem HB-Männchen Prinzip: Es geht alles wie von selbst!

Ich denke, dass das, was ich gerade erzählt habe, nicht ganz einfach zu verstehen ist (vor allem, wenn Dir das Bezugs-Buch fehlt), aber einerseits stehst Du ja selbst schon mit einem Bein im 1. Stock und andererseits, so theoretisch wie eben fabuliere ich normalerweise im real-existierenden Leben nicht und ich muss mich dort auch, wie jeder andere Mensch, mit den täglichen Dingen herumschlagen. Da kam mir Dein 'Pendel' gerade recht und zu ihm fiel mir nun aber wirklich nichts passenderes ein.

Ich freue mich, dass Du Freude an meiner Schneeball-Geschichte hattest und daran konntest Du einmal sehen, was ich aktuell so schreibe, wenn ich denn ‘mal schreibe und ein Thema habe.

MfGrüßen an die un-esoterische aber-(manchmal)-glaubende Gabi in einer Welt voller Rätsel, die sich dennoch irgendwie entflechten lassen. - Nochmals: Willkommen im 1. Stock!

ChD

Hier ein kleiner Nachtrag zu Strelitzens Gewichtsproblemen: „Was ich die letzten fünf Jahre gemacht habe? wiederholte Strelitz die Frage seines Freundes. - Ich würd’ sagen: Ich bin dicker geworden.“

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