Von: charts@charlydavidson.com
An: ursula-maus@tkun.de
Betreff: Die Zufriedenheisgarantie
Hallo Uschi Reh-Maus,
heute will ich 'mal über’s Geld reden/resp. schreiben/resp. sprechen:
Gestern hatte ich das große Vergnügen, kurz vor unserer Abfahrt nach Hannover, einer abergläubigen Gesellschaft beiwohnen zu dürfen. Jemand hatte mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen („Da treffen sich lustige Leute, die alle etwas interessantes zu erzählen haben.“) zu einer Versammlung Schneeball-spielender-aber-Gläubiger eingeladen und AM(High)WAY war die Hölle los.
Köstlich die Sätze im Vorfeld wie etwa: „Ich wollte schon immer jemanden so interessanten treffen, wie Sie.“ oder „Hatte ich Ihnen überhaupt schon gesagt, dass wir zehn Mark Eintritt bezahlen müssen, wg. der Saalmiete? - Das holen wir uns später locker wieder zurück. Das sind Investitionen, die sich lohnen.“ - Offensichtlich kannten die mich nicht - ein unverzeihlicher Fehler.
Bei solchen Gemengelangen und Investitionen pflegt der Unterzeichner üblicherweise das Weite zwar zu suchen, jedoch die Chance wahrzunehmen nicht sofort zu fliehen; eher begeht er dann eine kleine Flucht ins (literarische) Abenteuer.
Also: „Alles wird gut“, erzählte ein nicht ganz so gut aussehender älterer (leicht besoffener?) Mann. Seit sechzig Jahren schon wäre die Firma im Geschäft (was übrigens auch fast der zeitdauer entsprach, die er benötigte, um den Namen der Firma zu nennen, die offensichtlich mein Bestes wollte) und hätte schon immer Schneebälle verkauft.
Sonny Schneeball, vor kurzem trotz seines Reichtums leider verstorben, habe damals die schneeige Idee gehabt, daß alles gut werden solle in den USA, aber seit 28 Jahren sei die Firma nun auch in Europa ansässig (was mich etwas verwunderte, denn ich dachte, daß es umgekehrt gewesen sei und die Mafia von Europa aus den amerikanischen Amrkt erobert hatte. Aber Spass beiseite bzw. wieder rein in’s Vergnügen).
Sonny Schneeball, Gott (?) habe ihn selig, suchte sich damals in schweren Zeiten sechs Mitstreiter - heute werden sie nur noch die Brillanten genannt (wahrlich brillant ausgedacht) - und brachte der Welt seinerzet das, worauf sie schon immer gewartet hatte: Schneebälle. Und die Welt wollte immer mehr Schneebälle und weil ja jeder weiß, daß Schneebälle schnell schmelzen, ist es inzwischen ein Fass ohne doppelten Boden geworden, dieses Schneeballsystem, in das noch immer jede Menge Schneebälle reinpassen um darin zu schmelzen und sich in Nichts aufzulösen. „Sie fragen sich jetzt bestimmt, warum da vorher noch nie jemand ‘draufgekommen ist? Ganz einfach: weil unser Systemes so einfach ist! - Was soll denn da schon schiefgehen?“ sagte der ältere Herr.
„Also, die Europachefs sind mittlerweile Hans und Traudl Schneeball. Daran sieht man, daß wir eine grosse Familie sind und die bekommt ständig Nachwuchs und alle beziehen ihre Schneebälle von den Brillanten und geben sie weiter an die Welt. Und wer viele Schneebälle unter die Leute bringt, bekommt viele Prozente, bei weinig Schneebällen sind es dann auch nur wenige Prozente. Bedenken Sie jedoch“, sagte er „nur wer die Scheebälle wirft und möglichst noch gut zielt, der entwickelt sich schnell vom Zirkonia zum Zitrin“. Denn als Zitrin brauche man gar keine Schneebälle mehr anzufassen, was ja zugegebenermaßen eh zu kalt wäre. Ein Zitrin widme sich eher ganz um den Zusammenhalt seiner Klein-Familie, würde hier und da mal nach den (Vertriebs-) Rechten sehen und die Familienmitglieder, die nicht so recht mitziehen wollten, die üsse ein Zitrin links liegen lassen.
Und weil Pferdchen im Schnee so gerne laufen („Sie kennen doch alle das Lied 'Jingle-Bells'. Sagt Ihnen das nichts?“), solle man als Zitrin dafür sorgen, möglichst viele Pferdchen für sich laufen zu lassen und wenn man dann 15 Pferdchen hat, ja dann wird man ein Turmalin und darf zwei mal im Jahr Traudl und Hans Schneeball persönlich von seinen Erfolgen erzählen. Und dafür bekommt man auch noch Bonus-Prozente. (Wir singen jetzt: „Ich wollt, ich wär Zitrin / und bald auch Turmalin. / Ich mach Prozente dann im Schlaf / und fahr' überall hin.“)
Ja, viele Prozente könne man machen, sagte der älterer Herr, und die Besten der ganzen Welt (... aus etwas nebulösen Gründen sind allerdings immer die sechs Brillanten ...) fahren einmal im Jahr nach Las Vegas, besuchen das Grab von Sonny Schneeball und feiern mit ihm gemeinsam ihren Erfolg.
Das Allerschönste ist aber: Wer viele Pferdchen laufen hat und ab und zu nach dem Rechten sieht, der wird von Vater Staat auch noch begünstigt und ein hoher Schuldenberg - wer keine Schulden hat ist doch heutzutage sowieso der Dümmste - schmilzt dahin wie die Schneebälle (die man aber möglichst zuvor bereits unter die Leute gebracht haben sollte.) Jeder sei, so der ältere Herr, seines eigenen Schneeballes Schmied und mit ein wenig Geschick wird der Ball, den man einst in’s Rollen gebracht hat, sehr schnell größer und größer.
Hier erhob der Unterzeichner seine Hand und machte einen leisen Einwand geltend, verfolgt von den abergläubigen Blicken der mehr als 100 Anwesenden. Aus, so sagte er mutig, einem Schneeball könne doch schließlich auch mal eine Lawine werden. Und was dann?
„Was dann? Was DANN?- Junger Mann“, entgegnete der (wahrscheinlich doch besoffene) ältere Mann: „Sie unterschätzen die Intelligenz dem Menschen hier im Saal“ (... und wohl auch der Wirkung von rund 365 Schulungen im Jahr) „Mit dieser Frage hatte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet, weil sie nun doch wirklich dumm ist. Gerade DAS wollen wir doch: Eine Lawine von Prozenten, eine Lawine von Schneebällen, eine Lawine von Geld, eine Schneelawine, die die ganze Welt überrollt. Und schiefgehen kann das überhaupt gar nichts, denn Regel Numero 1 besagt doch: Alles wird gut! - Und wenn Regel Numero 1 nicht greift, dann tritt eben unsere Regel Numero 2 in Aktion“ und er holte zum großen Triumpf aus: „Die ZUFRIEDENHEITSGARANTIE.“
Wer mit irgend einem Produkt der Firma nicht einverstanden sei, der schickt es zurück und schon neun Monate später wird das Geld, das er bezahlt hat mit seinen Prozenten gutgeschrieben. - Unfassbarer Jubel im Saal, verächtliche Blicke auf den Unterzeichner: Alles wird gut!
Solchermassen erschöpft abergläubig, einer außerordentlichen Veranstaltung beigewohnt zu haben, stieg der Unterzeichner in seinen Mercedes („Ach ja! Jetzt wird mir einiges klar: Der braucht gar keine Prozente zu verdienen. Wenn ich das Auto von dem schon vorher gesehen hätte, dann hätte ich Ihnen das gleich gesagt. Nächstes Mal, also das sage ich ihnen, bringen Sie aber jemanden mit, der hungrig ist.“) und fuhr nach Hause. Zumindest wusste ich jetzt, daß sich aus dem Begriff 'Schneelawine' das Wort 'Schlawiner' ableitet.
Das war’s. Ich hoffe meine kleine Geschichte hat Dein Interesse gefunden und obwohl ich nur ein einziges Mal das Wort ‘Geld’ erwähnte ist es mir nicht schwergefallen, sie Dir unter meinem Eingangsmotto sowie unserem Wochenmotto zu erzählen. Manche Geschichten dauern Monate und andere schreibt man in einem Zug ‘runter ... und sei es nur der ICE von München nach Berlin.
Morgen widme ich mich Deiner letzten E-mail.
MfG
Karl D. Schneeball
(Nein! - Schneebälle sind mir doch ein klein wenig zu kalt. Aberglaube mir: Die Gehirnwäsche wirkt schon ein bisschen.) Also noch ein zweiter Versuch:
MfG
Karl, Dein Charly
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