Dienstag, 25. August 2009

Montag, 19. Juni 2000 @ 21:25:47

Von: ursula-maus@tkun.de
An: charts@charlydavidson.com
Betreff: Post-Kutsche

Lieber Karli,

Du warst in Berlin - warum sagt mir das keiner?

Da Berlin sich im "Wir habenkein geld, was kostet die Welt"- Rausch befindet und damit nicht nur Berliner Philosophen zu sprachlichen Höhenflügen motiviert sondern auch Dich, hier mein abendlicher Versuch, im gleichen, atemberaubenden Tempo zu antworten bzw. kutschierend alles wieder in Frage zu stellen: ( Übrigens scheint die Geschwindigkeit von E- mails nicht in jedem Falle die von Postkutschen zu übertreffen! )

1.) 2000 Döner-Stände sind doch mehr als angemessen, wenn man bedenkt, daß Kreuzberg Klein-Istanbul mit anderen Mitteln ist. Weiterhin bedenkenswert ist allerdings, daß die türkischen Berliner selten Döner essen.

2.) Im Augenblick ist der "König mit leerem Beutel", zumindest in Berlin eher ein Über-Lebender. Philosophisch betrachtet: Lieber ein König mit leerem Beutel, als einer mit leerem Kopf ... wobei Herr Diepgen nicht unbedingt meine politische Meinung wderspiegelt. Die Frage nach der dazu passenden (roten?) Königin stellen sich die Berliner aus begreiflichen Gründen im Moment nicht (... es sei denn eine sprachsüchtige Praktikantin, die an andere Zusammenhänge dächte, würde sich Hoffnungen machen. Aber ich garantiere Dir: hierauf nicht!)

3.) Für Geld - zweifellos der tiefste aller (Ab)Gründe - die eigene Seele zu verkaufen ist nicht zwingend ein Zeichen von Charakter. Aber das Sein bestimmt das Bewußtsein und in Notfällen kann man den Charakter als Zugabe auf den Roulette-Tisch legen. Deiner Meinung über die "echten Ex- B.B.ler" kann ich zum Teil folgen, ich bin mir nur nicht sicher, wieviel tiefe Gründe man wirklich braucht, um seinen Charakter in einen Container zu tragen. Solcher TV- Schmutz ist m. E. der unstrittig krankhafteste Versuch, mit psychologischer und gesellschaftlicher Krankheit, mit Aufmerksamkeitsdefiziten und Wahrnehmungsstörungen, Geld zu verdienen.

4.) Solange man Rollen spielt, spielt es keine Rolle, daß man Rollen spielt. Erst wenn man über dem Rollenspiel die eigene Identität nicht mehr wieder findet, wird es Kritisch, lieber Karli! (Zur Freude der sich auf der Suche nach Er- Kenntnis befindenden Praktikantin besteht diese Gefahr für ChD nicht - seine Bodenhaftung ist augenscheinlich groß genug.)

Ergänzung: Ein Focaultsches Pendel, das durch Luftbewegungen aufgehalten wird, scheint mir als Halt für ChD ein klein wenig zu scharf zu sein. Wer ist schon gern abhängig von der Leichtigkeit eines Ariel oder Puck!?

5.) Zu Deinem Dali-Zitat bekenne ich eine, augenblickliche, Sprachlosigkeit.

6.) Zustimmung: Wer sich mit Versuchungen versucht, wird (manchmal) klüger!

7.) Nietzsche und Ignaz Wrobel können bis morgen warten!

8.) Immer noch in Berlin,

mit leicht erschöpften Grüßen,

Uschi

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen